RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt

Westdeutsche Zeitung: RAF-Terroristen
von Peter Kurz

Nimmt man die Meinungsumfragen zum Maßstab, so
hat das Oberlandesgericht Stuttgart nicht im Namen des Volkes
entschieden. Es hätte die vor 24 Jahren als RAF-Terroristin
verurteilte Brigitte Mohnhaupt nicht freilassen dürfen. Nur:
Meinungsumfragen können nicht der Maßstab für eine gerichtliche
Entscheidung sein. Sondern nur das Gesetz, und das schreibt vor: Die
Justiz muss auch bei zu lebenslanger Haft Verurteilten nach Ablauf
von mindestens 15 Jahren prüfen, ob der Strafrest zur Bewährung
ausgesetzt werden kann.

Die Richter mussten mit Hilfe von Gutachtern beurteilen, ob von
Mohnhaupt noch eine Gefahr ausgeht. Eine Klausel „Diese Vorschrift
gilt nicht für verurteilte RAF-Terroristen“ sucht man in dem
Bewährungsparagrafen vergeblich. Ebenso wenig ist da die Rede davon,
dass der Häftling Reue zeigen müsse. Das wäre zwar angesichts der
Gnadenlosigkeit, mit der die RAF-Terroristen töteten, moralisch
wünschenswert. Doch weil das Gesetz diese moralische Kategorie nicht
enthält, durften die Richter diesen Maßstab auch nicht anwenden.
Im Fall Christian Klar, dessen Mindest-Strafverbüßungsdauer noch
nicht abgelaufen ist, ist das anders. Da geht es um einen Gnadenakt,
bei dem für den Bundespräsidenten auch Fragen der Reue eine Rolle
spielen sollten.

Und was ist mit dem Einwand, dass Mohnhaupt zu fünf mal lebenslang
plus 15 Jahren verurteilt wurde? So ein Urteil kann doch nur dann
einen Sinn ergeben, wenn sie nie mehr freikommt. Das stimmte bis
1977. Doch dann entschied das Bundesverfassungsgericht, dass es der
Menschenwürde widerspricht, wenn einem Verurteilten keine Chance
verbleibt, irgendwann seine Freiheit wieder zu erlangen. Urteile auf
„mehrfach lebenslang“ gibt es nicht mehr, auch in den Altfällen muss
es die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Perspektive geben.
Im deutschen Herbst wollten die RAF-Terroristen als politische
Befreiungskämpfer gelten. Zu Recht wurde ihnen das verweigert. Sie
wurden als das bestraft, was sie waren. Als Schwerkriminelle, als
Mörder. Ihnen jetzt die jedem Straftäter zustehenden Rechte zu
verweigern, hieße, ihnen doch im Nachhinein einen Sonderstatus
zuzusprechen. Auch für RAF-Täter muss die Formel gelten, die nach
unserem Recht für jeden gilt: Auch lebenslänglich ist vergänglich.

Quelle: www.westdeutsche-zeitung.de

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